»Mit dem Stipendium will der Kurator, Designtheoretiker und Schriftsteller helfen, die Gesellschaft zu verändern.«
Stefan Dege, Deutsche Welle
Nichts Neues kaufen, kein Essen verschwenden, kein Fleisch, dafür kostenloses Mittagessen anbieten: Drei Heilbronner:innen wurden mit dem »Stipendium für Nicht(s)tun« ausgezeichnet. Sie erhalten jeweils 5.000 Euro dafür, drei Monate etwas nicht zu tun und damit negative Folgen für sich und andere zu vermeiden. Das Stipendium ist Herzstück des Kunst- und Stadtentwicklungs-projektes „Hauptstadt der Folgenlosigkeit“, das bis Mai 2023 mit zahlreichen Akteur:innen und Partnerinstitutionen in Heilbronn der Frage nachgeht, wie ein Leben vor dem Hintergrund von Klimawandel und sozialer Ungleichheit zukünftig aussehen
kann.
Basis-Demokratische Gameshow
In einer interaktiven Gameshow hatten sich Angela Manetto, Larissa Sperrfechter und Jonas Kachel am Samstag, 16. Juli 2022, gegen ihre Mitstreiterinnen durchgesetzt. Die zehn Finalistinnen waren zuvor in einem demokratischen Prozess aus über 200 Bewerbungen ausgewählt worden. „Ich bin sprachlos und freue mich sehr“, dankte Larissa Sperrfechter dem Publikum, das in mehreren Abstimmungsrunden die Siegerideen kürte. Die 31 Jahre alte Betreiberin eines Vintage-Shops in Heilbronn will drei Monate lang keine neuen Produkte kaufen und mit dem Stipendium das Angebot ihres Ladens erweitern, der zukünftig auch Raum für Upcycling-Workshops bieten soll.
Die Shortlist
Angela Manetto (41), Leiterin der Jugendherberge Heilbronn, will im dortigen Bistro drei Monate lang jeden Mittwoch auf Fleisch verzichten und dafür regionale Demeter-Produkte anbieten. Darüber hinaus wird die Jugendherberge 44 Essensboxen verteilen, die in der Stadt kursieren sollen und gegen ein Essen am Mittwoch eingetauscht werden können, damit auch Bedürftige eine gesunde Mahlzeit erhalten können. „5.000 Euro reichen für 572 gesunde Mittagessen“, sagt Manetto, die hofft, dass ihre Idee auch von anderen Restaurants und
Institutionen aufgegriffen wird.
Jonas Kachel (29) wiederum stellt 20 Haushalten seine Kenntnisse als Koch zur Verfügung: Aus den Zutaten, die in den jeweiligen Küchen zu finden sind, wird er ein gutes und gesundes Essen kreieren und damit zugleich Lebensmittel vor dem Wegwerfen bewahren. Da es ihn, wie er sagt, nichts koste, seine Fähigkeiten für andere einzusetzen, gibt Kachel das Preisgeld zu gleichen Teilen an drei weitere Bewerber*innen des ‚Stipendium für Nicht(s)tun‘ weiter, die in der letzten Finalrunde ausgeschieden sind. Über jeweils 1.666 Euro freuen dürfen sich Gerit Kopietz-Sommer, die nichts Brauchbares wegwerfen und eine neue Schenk-Kultur etablieren möchte, Marina Murmann, die ein Recycling-System für Zigarettenkippen plant, und Benedikt Supper, der mithilfe von VR-Technologie den Blick für Kinderarbeit bei der Rohstoffgewinnung schärfen will.
Die Endauwahl
Alle Bewerber*innen kamen am Samstag, 15. Oktober 2022, wieder zusammen: Bei einem festlichen Akt wurde die Idee von Jonas Kachel zum Prototypen gewählt. Diesem sollen für die restliche Laufzeit der »Hauptstadt der Folgenlosigkeit« alle folgen, die sich auf ein »Stipendium für Nicht(s)tun« beworben hatten.
Das Nicht(s)tun-Kollektiv
Daraufhin gründete sich das »Nicht(s)tun-Kollektiv« als Zusammenschluss von Bürger:innen, die ihre Talente und Fähigkeiten anderen unentgeltlich zur Verfügung stellen wollen. Drunter ein Krankenpfleger, eine Fotografin, eine Mental-Trainerin, eine Hundetrainerin und eine Kinderpädagogin. Sie folgen der Prototyp-Idee und dem Vorbild des Gewinners des Stipendiums für Nicht(s)-Tun Jonas Kachel.